Stadion Einmaleins

- Tipps zum Stadionbesuch -

In letzter Zeit häufen sich Übergriffe gegen Fußballfans durch die Polizei. Jeder von uns kann jederzeit Opfer eines Übergriffs werden, unabhängig davon, ob er sich etwas zuschulden hat kommen lassen, oder nicht. Umso wichtiger wird es, über seine Rechte Beschied zu wissen, da man von den Polizisten keine korrekte Auskunft über diese erwarten kann. Deshalb wollen wir im folgendem ein paar wichtige Verhaltensregeln für Fans im Falle eines Übergriffes zusammenfassen.

Das beste Mittel gegen diese Übergriffe ist SOLIDARITÄT. Solidarität zwischen Fans. Das heißt, dass Du Dich auf Deine Leute verlassen kannst und sie sich auf Dich. Dass sich im Falle eines Übergriffes um den betroffenen Einzelnen gekümmert wird und dass der Betroffene bei der Polizei niemanden reinreitet.

Anreise

Wichtig ist, zum Spiel in einer Gruppe mit Freunden anzureisen (und abzureisen). Dies ist nicht nur lustiger, sondern definitiv auch sicherer. Beim gemeinsamen Stadionbesuch kann sich gegenseitig geholfen werden und auch, im Falle einer Festnahme, anderen von dieser berichtet werden. Wenn eine Einzelperson irgendwo verschwindet, erfährt niemand davon und dann kann auch nichts dagegen getan werden.

Persönliche Gegenstände

Nimm nur mit, was du unbedingt brauchst. Schau auch Deinen Geldbeutel durch: Persönliche Aufzeichnungen, Skizzen und Adressbücher können der Gegenseite als belastendes Material nutzen. Einen Fotoapparat brauchst Du auch nicht, da Fotos denen ebenfalls nützen können. Außerdem bekommst du bei unserem Fotografen eh bessere Bilder.
Handys und die darin gespeicherten Nummern, SMS und Anruflisten werden von der Polizei auf jeden Fall durchgeschaut. Bitte vor dem Spieltag Anruflisten und SMS durchschauen. In Deinem Adressbuch möglichst keine Spitznamen und Gruppen- oder Fanclubzugehörigkeit verwenden.

Verhalten

Grundsätzlich ist es besser, nüchtern zu sein. Ein klarer Kopf kann in vielen Situationen erforderlich sein. Bei Übergriffen solltest Du nicht in Panik verfallen. Erst tief Luft holen, stehen bleiben und auch andere zum dableiben auffordern. Durch geschlossenes Auftreten kann verhindert werden, dass Einzelne herausgegriffen werden und Verletzte zurückbleiben.
Auf die gezielten Provokationen der Polizei nicht eingehen und sinnloses Gepöbel unterlassen, um keinen Vorwand für weitere Übergriffe zu bieten.
Kümmere Dich um Verletzte. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Polizei hieran wenig Interesse hat. Verletzte sollten an einen sicheren Ort gebracht werden. Erst jetzt sollte, wenn es nötig ist, der Notarzt gerufen oder ein Krankenhaus aufgesucht werden. Diese arbeiten meist mit der Polizei zusammen. Deshalb sollten keine Angaben zum Geschehen gemacht werden. Am besten "Unfall im Haus" oder Ähnliches angeben.

Pfefferspray

Der Wirkstoff OC (Oleoresin capsicum) wird in einem Wassergemisch in einem feinen Strahl bis zu 5 m versprüht. Er stimuliert im Körper Schmerzrezeptoren: im Auge brennender Schmerz, Augentränen, Schwellungen (Kontaktlinsenträger sind besonders gefährdet), auf der Haut und Schleimhaut Schmerzen und Hautrötungen und in den Atemwegen Hustenreflexe und Würgereize. Irrationales Panik- und Fluchtverhalten wird ausgelöst. Bei Kontakt sollte der Gefahrenort verlassen werden und die betroffenen Stellen mit klarem, möglichst fließendem Wasser ausgespült werden.

"Szenekundige" Beamte (SKBs) und andere "nette" Polizisten

Es ist die Aufgabe der SKBs, Informationen über die Fanszene zu sammeln. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind sie auf persönliche Kontakte angewiesen. Es ist also ihr Job, "nett", "verständnisvoll" und "hilfsbereit" zu sein und bei kleineren Delikten mal ein Auge zu zudrücken. Wenn es darauf ankommt, werden sie aber nicht zögern, Euch rein zu reiten. Auch sind sie darauf geschult, auch scheinbar unwichtige Details zu einem Bild über Euch und Eurer Umfeld zusammenzufügen. Deswegen sollte sich keiner von uns auf irgendwelche Gespräche mit den SKBs einlassen.
Dasselbe gilt für Plaudereien mit normalen Polizisten, womöglich nachdem oder bevor diese uns oder andere Fußballfans schikaniert haben. Wir können auf die Repression und diejenigen, die sie ausführen, verzichten. Das sollen sie auch spüren, also keine unangebrachte Freundlichkeit!

Gedächtnisprotokoll

Im Falle einer Festnahme oder eines Übergriffes sollte vom Opfer und auch von Zeugen ein Gedächtnisprotokoll angefertigt werden. Dies sollte, soweit bekannt, Ort, Zeit und Art des Übergriffes, Anzahl, Diensteinheit und Aussehen der Schläger und Name des Verfassers und Opfers enthalten. Die Beamten nach Name oder Diensteinheit zu fragen ist sinnlos. Diese Auskunft ist zwar vorgeschrieben, wird aber praktisch nie erteilt. In Bayern muss bei der derzeitigen Gesetzeslage bei Großveranstaltung sogar nur der Name des Einsatzleiters genannt werden. Die Gedächtnisprotokolle sicher aufbewahren und ggf. dem Anwalt geben. Bei Verletzungen ein Attest vom Hausarzt beifügen. Dies alles ist wichtig, um Dir zu helfen, aber auch um die Repression zu dokumentieren.

Festnahme

Solltest Du festgenommen werden, stelle sicher, dass wer davon erfährt. Danach sagst Du keinen Ton mehr! Sprich beim Abtransport gegebenenfalls mit anderen Gefangenen. Tauscht Namen und Telefonnummern aus und klärt sie auf, wie sie sich verhalten sollen. Sprich mit Ihnen aber auf keinen Fall darüber, was passiert ist, oder was irgendwer getan hat. Es könnte immer jemand mithören.
Auf der Wache hast Du das Recht auf ZWEI Telefonate. Darauf solltest Du auch bestehen, drohe mit Anzeige.
Bei Verletzungen verlange einen Arzt und lass diese attestieren. Vom Hausarzt später ein zweites Attest holen. Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen.
Erkennungsdienstlicher Behandlung (Fotos, Fingerabdrücke) musst Du, soweit Du einer Straftat verdächtigt wirst, erdulden. Trotzdem Widerspruch einlegen und protokollieren lassen. Selber aber nichts unterschreiben! Ein Schleimhautabstrich zur DNA-Speicherung nicht ohne vorherigen richterlichen Beschluß zulassen!

Vernehmung

Gegenüber der Polizei bist Du nur verpflichtet, Angaben zu Deiner Person zu machen. Das sind ausschließlich Name und Vorname, Meldeadresse, allgemeine Berufsbezeichnung (z.B. "Angestellter" oder "Student"), Familienstand (z.B. "ledig") und Staatsangehörigkeit. Du solltest nichts weiter sagen und Dich nicht in ein Gespräch verwickeln lassen. Eine Verweigerung der Angaben zur Person ist eine Ordnungswidrigkeit und kostet Bußgeld. Allerdings wäre das auch ein Vorwand, Fotos und Fingerabdrücke zu nehmen und Dich bis zu zwölf Stunden da zu behalten.
Bei der Vernehmung sich weder von Brutalos einschüchtern, noch von verständnisvollen Onkel-Typen weichlabern lassen. Das sind alles Tricks, in denen die Vernehmer geschult wurden. Glaube auch nicht, die Beamten austricksen zu können. Bei der Vernehmung durch die Polizei nichts sagen! Es gibt auch keine "harmlosen Plaudereien" "außerhalb" des Verhörs. Alles was Du sagst ist eine Aussage! Auch wenn Du meinst, unschuldig zu sein, ist es besser nichts zu sagen. Was belastend ist, kann man selber im Eifer des Gefechts nicht beurteilen und was Dich entlastet, könnte andere belasten. Es darf Dir keinerlei Nachteil bringen, in einer polizeilichen Vernehmung die Aussage zu verweigern.
Mach den Vernehmern von Anfang an klar, dass Du die Aussage verweigerst. Wenn Du auf scheinbar Belangloses eingehst, werden sie Dich weiter bearbeiten. Deshalb auf jede Frage, sei es nach dem Wetter, oder ob man eine Zigarette wolle, stupide mit "ich verweigere die Aussage" antworten.
Du hast nach der Vernehmung noch genug Zeit, über eine Aussage in Ruhe nachzudenken und sie mit einem Anwalt zu besprechen.

Untersuchungshaft

Als Tatverdächtiger musst Du spätestens um 24 Uhr des folgenden Tages freigelassen werden, es sei denn ein Richter verhängt Untersuchungshaft. Vor dem Richter solltest Du auch keine Angaben machen und Dich erst mit Deinem Rechtsbeistand beraten. Zusätzlich zu dem dringenden Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde, muss auch ein Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr oder Wiederholungsgefahr) vorliegen. Wer keinen festen Wohnsitz in Deutschland besitzt, bei dem wird in der Regel Fluchtgefahr angenommen.
Diese kann bei kleineren Delikten durch die Zahlung einer Sicherheitsleistung ausgeräumt werden, mit der die Teilnahme am Strafverfahren sichergestellt werden soll. Diese sollte man später zurückfordern, wenn das Strafverfahren eingestellt wird. Bei der Zahlung der Sicherheitsleistung solltest Du Dich nicht vorab mit der Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage gemäß § 153 a StPO einverstanden erklären und die entsprechende Unterschrift verweigern.

Schnellverfahren

"Beschleunigte Verfahren" wurden eingeführt um bei kleineren Vergehen (Höchststrafe ein Jahr)mit einfachem Sachverhalt und klarer Beweislage den Prozess zu verkürzen. Der Beschuldigte wird nach der Tat bis zu einer Woche in Haft behalten, bevor ohne Vorbereitungszeit das Schnellverfahren abgehalten wird. Es empfiehlt sich, bei diesem Verfahren in keiner Weise zu kooperieren, nichts auszusagen und nach einer Verurteilung binnen einer Woche Rechtsmittel einzulegen. Dies führt zu einer ganz normalen Hauptverhandlung. Auf keinen Fall solltest Du ohne rechtlichen Beistand selbständig irgendwelche Anträge stellen oder Dich auf irgendwelche Handel einlassen.

Unterbindungsgewahrsam

Nach allgemeinem Polizeirecht kann ein sogenannter "Störer" in polizeilichen Gewahrsam genommen werden, wenn von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Dies ist der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Begehung von Straftaten unmittelbar bevorstehen. Die Polizei ist verpflichtet, sofort eine Vorführung vor den Richter in die Wege zu leiten, der dann über die Fortdauer des Gewahrsams entscheidet.

Gefährderansprachen

Personen, die in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen auffällig geworden sind, können schriftlich oder persönlich zu Hause oder in der Arbeit sogenannte "Gefährderansprachen" erhalten. Ziel ist es, diese Personen einzuschüchtern, sie in ihrem sozialen Umfeld zu diskreditieren und Informationen über diese zu erhalten. "Gefährderansprachen" sind gesetzlich nicht geregelt. Wenn man sie über sich ergehen lässt, sollte man darauf achten, so wenige Informationen wie möglich preis zu geben. Das heißt keine Fragen zu beantworten und die Beamten möglichst nicht ins Zimmer zu lassen.

Aussageverweigerung

Als Beschuldigter kannst Du generell die Aussage verweigern und musst zu polizeilichen Vorladungen nicht mal erscheinen. Einzelheiten solltest Du mit Deinem Anwalt besprechen.
Als Zeuge hast Du das Recht gegenüber Polizei und Staatsanwalt die Aussage zu verweigern. Dies ist in jedem Fall die beste Möglichkeit den Schaden für Dich und andere möglichst gering zu halten.

Strafbefehl

Ein Strafbefehl ist ein Urteil ohne Verhandlung, gegen das Du innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen solltest. In diesem Fall wird der Strafbefehl zur Anklageschrift und es kann zur ganz normalen Verhandlung kommen, muss es aber nicht unbedingt. Wenn Du den Strafbefehl annimmst, gestehst Du Deine Schuld ein. Das heißt auch, dass es für Dich Stadionverbot gibt! Es ist also in jedem Fall besser, ihn nicht anzunehmen. Solltest Du bei Eingang des Strafbefehls abwesend sein (z.B. im Urlaub), dies sofort nach der Rückkehr beim entsprechenden Gericht melden und nachweisen (sogenannte "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand").

Repression zielt darauf, Druck auf das Individuum auszuüben, um seinen Willen zu brechen. Dies funktioniert durch direkte Handlungen (Demütigungen und Aufbau von Bedrohungssenarien bis hin zur Gewaltanwendung) und indirekt, indem der Betroffenen in seinem sozialen Kontext in Misskredit gebracht werden soll. Deswegen ist es wichtig, sich mit der Repression und ihren Mechanismen zu beschäftigen, Euer Umfeld für das Thema Repression gegen Fußballfans zu sensibilisieren und auch in Eurer Gruppe über Eure Erfahrungen zu sprechen. Solidarität ist eine Waffe!

Weitere Infos findest Du unter:
www.profans.de
www.aktive-fans.de
www.rote-hilfe.de