Investoren: Heuschrecken und Manipulatoren

Am 21.05.2008 standen sich mit Manchester United und Chelsea FC im Finale des Landesmeisterpokals zwei Mannschaften gegenüber, die beide im Privatbesitz eines Multimilliardärs sind. Während der eine bei ManU kommerzielle Ziele verfolgt, nutzt der andere Chelsea vor allem dazu sein Ego zu polieren. Für den sportlichen Erfolg der beiden Teams hatten diese unterschiedlichen Einstellungen ihrer Besitzer auch gänzlich verschiedene Folgen.
Nach der mehrheitlichen Übernahme von Manchester United durch Malcolm Glazer, der den Verein als gewinnorientiertes Unternehmen betreiben wollte, verpasste United erstmals seit Jahren den Einzug in die Ko-Runde der Champions League. Besonders bedrückend an der ganzen Sache war, dass Glazer den Verein für die Kosten der Übernahme aufkommen ließ, wodurch dieser nicht am Transfermarkt tätig werden konnte. Der Erfolg kehrte erst dadurch zurück, dass ein neuer Plan zur Refinanzierung dieser Kosten aufgestellt wurde. Dieser ließ die Schulden des Klubs weiter wachsen, bot aber die Gelegenheit kurzfristig wieder mehr Geld für neue Spieler zu investieren - die einzige Möglichkeit in der von hohen Transfersummen geprägten Premier League konkurrenzfähig zu bleiben. Das Vorgehen Glazers sollte jeder im Hinterkopf behalten, der für die Abschaffung der 50+1 Regel plädiert oder sich generell mehr Investoren im Fußball wünscht.

Auf der anderen Seite lief das Team des Multimilliardärs Roman Abramowitsch auf. Bei dieser Mannschaft kehrte mit Ankunft des Großinvestors relativ schnell der Erfolg ein und ein Team, dass auf europäischer Ebene sicher nicht zu den Top-Ten zählte, ist mittlerweile stets unter den Topfavoriten auf den Landesmeisterpokal und konnte auch auf nationaler Ebene zum ersten Mal seit 50 Jahren wieder den Meistertitel feiern. Erfolg lässt sich scheinbar doch kaufen, wenn man nur genug Geld investiert. Kein Wunder wenn man bedenkt, dass Abramowitsch schon über 700 Millionen Euro für Transfers und Gehälter ausgegeben hat. Hier ist wohl eindeutig von einer Wettbewerbsverzerrung im europäischen Vereinsfußball durch externen Geldzufluss und so von einer Manipulation der Chancengleichheit zu sprechen.
Die Unsitte, dass Investoren überhaupt Gelegenheit haben Vereine als Spielzeug zu missbrauchen, wurde von den Fußballfunktionären in ihrem Streben nach mehr und mehr Geld selbst verschuldet. Angefeuert vom Wahnsinn der ständig steigenden Spielergehälter und Transferzahlungen versuchten sich die Vereine Kapital durch den Gang an die Börse zu beschaffen, wo sie nach und nach das Opfer der Übernahmegelüste sportfremder und wie im Falle Glazers auch am Fußball uninteressierter Unternehmer werden.
Es soll hier keinesfalls bestritten werden, dass auf der Insel attraktiver, taktisch fortschrittlicher und technisch versierter Fußball geboten wird. Dies zeigt sich schon allein am internationalen Abschneiden der englischen Klubs. Jedoch steht es außer Frage, dass dieser Erfolg an erster Stelle den hohen TV-Einnahmen durch das Pay TV und eben den Geldern der Investoren geschuldet ist.

Chancengleichheit erhalten – Bodenständige Arbeit statt Kapital

Es bleibt nur die Frage, welchen Preis man in Deutschland bezahlen müsste, wenn man dem englischen Beispiel folgt, um international auch wieder mehr Erfolge für Bundesligamannschaften verbuchen zu können?
Das "System England", in dem unser Sport zum Spielball von Profit orientierten Investoren oder selbstverliebten Ölmagnaten wird, die teils konzeptlos Abermillionen in ihren neuen Zeitvertreib investieren um sich eines weiteren Statussymbols rühmen zu können, würde auf längere Zeit das Ende des Fußballsports, wie wir ihn kennen und liebengelernt haben, bedeuten. Finanzstarke Investoren zerstören die über Jahre gewachsenen Wettbewerbsstrukturen im Fußball. Statt guter Jugendarbeit, einem gesunden wirtschaftlichen Planung und einem durchdachten sportlichen Konzept, würden zukünftig die reichsten Deutschen bzw. Investoren, je nach deren Launen, über die Zusammensetzung der Ligen entscheiden. Die Zeiten, in denen jeder jeden schlagen kann wären leider vorbei. Genau diese Unberechenbarkeit ist es aber, die den Fußball ausmacht. Deshalb sollte sie um jeden Preis erhalten werden. Unabdinglich hierfür ist es an der Zentralvermarktung der TV-Rechte festzuhalten und die Einnahmen daraus gerechter zwischen den Vereinen aufzuteilen. Resultat wäre eine größere Chancengleichheit, die die Spannung, welche unseren Sport ausmacht, erhält. Wieso der FC Bayern ca. 29 Millionen Euro aus dem TV-Topf erhält, Hansa Rostock jedoch nur knapp über 13 Millionen (Saison 2007/2008) mutet doch etwas seltsam an, da beide in der gleichen Liga spielen, beide ihren Anteil zur Dramatik der Bundesliga beitragen und somit eigentlich auch ähnliche Anteile an den Fernsehgeldern erhalten sollten. Eine ungleiche Zuteilung von Fernsehgeldern kann nur dahin interpretiert werden, dass die DFL kein Interesse an einem gerechten Wettbewerb in der Bundesliga hat, sondern allein die internationalen Ambitionen weniger Top-Teams berücksichtigt.

Hoffenheim sabotiert den Wettbewerb

Es steht außer Frage, dass bereits heute der FC Bayern – auch ohne TV Gelder - über ganz andere finanzielle Möglichkeiten verfügt, als beispielsweise der VFL Bochum. Dies ist allerdings vordergründig der sportlichen Entwicklung der Vereine in den letzten 40 Jahren geschuldet, wobei sich damit die enge Zusammenarbeit mit einigen Sponsoren oder die Umwandlung der Fußballabteilung in eine AG beim FC Bayern nicht rechtfertigen lässt und in dieser Form größtenteils abgelehnt werden muss. Trotzdem hat der FC Bayern seine Entwicklung an die Spitze des europäischen Fußballs unter ähnlichen Bedingungen antreten müssen, die jeder andere Verein zu diesem Zeitpunkt auch vorfand.

Das Auftauchen der TSG Hoffenheim in den Gefilden des Profifußballs steht diesen natürlich gewachsenen Strukturen diametral gegenüber. Die TSG hat sich nicht über Jahrzehnte seinen Platz im Gefüge der ersten drei Ligen erarbeitet, sondern konnte durch den Mäzen Hopp innerhalb weniger Jahre den Sprung von Liga 8 in die Bundesliga antreten. Der Aufstieg, ebenso wie Chelseas Vorstoß unter die besten vier Teams des Kontinents, war nur durch den externen Geldzufluss möglich. Fraglos überzeugte Hoffenheim dabei mit Tempofußball und einem schönen Kombinationsspiel, aber dabei sollte im Hinterkopf behalten werden, dass die TSG als Zweitligaaufsteiger europäische Traditionsclubs wie Benfica Lissabon oder Paris St. Germain im Transferpoker um Eduardo überbieten konnte. Inwiefern kann man in Relation zu den Transfersummen, die sonst in der 2. Liga an der Tagesordnung sind, noch von einem gerechten Wettbewerb sprechen? Gerade die Fans von traditionsreichen Vereinen wie Fortuna Düsseldorf oder des 1. FC Kaiserslautern müssen sich verarscht vorkommen, angesichts der Tatsache, dass jetzt das Kunstprodukt des Modells Hoffenheim durch die Bundesligastadien tourt, anstatt ihrer Vereine, die ihren Platz in der Bundesliga jahrelang mit wesentlich geringeren Geldern verteidigen mussten. Nicht außer Acht gelassen werden muss, aber der Fakt, dass auch die Funktionäre der "Traditionsvereine" versuchten möglichst viel Profit für ihren Klub zu erwirtschaften und teure Spielertransfers getätigt haben. Nur vermochten sie aufgrund von Unfähigkeit oder Unseriosität dieses Spiel nicht so geschickt zu spielen wie andere Akteure und trieben so in die Schuldenfalle. Durch das Befolgen der Regeln des internationalen Fußballmarkts, schaufelten sie so ihr eigenes Grab.

Trotzdem muss jeglicher Argumentation, dass Chancenungleichheit aufgrund der kapitalistischen Organisationsweise des Profifußballs systemimmanent und das "Modell Hoffenheim" deshalb nicht wettbewerbsverzerrend ist, widersprochen werden. Denn ein Fußballverein generiert seine finanziellen Möglichkeiten durch sportliche Leistung, welche von Zuschauern und Sponsoren honoriert wird, und Verankerung in seinem regionalen Umfeld. Hoffenheim kann dabei weder eine über mehrere Jahre bestätigte erfolgreiche sportliche Leistung, noch eine Verankerung in der Region vorweisen. Wie anders ist es zu erklären, dass Regionalligaspiele in Hoffenheim selbst in der Aufstiegssaison von weniger Zuschauern frequentiert wurden, als gleichzeitig Spiele von Kickers Emden oder dem VFB Lübeck, geschweige denn Mannschaften wie Braunschweig oder Dresden. Die Marktlogik scheint hier zu versagen. Folglich scheint das von Hoffenheim angebotene Produkt weniger attraktiv, trotzdem verfügt es über wesentlich größere Finanzmittel. Das Engagement eines Mäzens und die daraus erfolgende Wettbewerbsverzerrung lassen sich also nicht durch den Markt erklären. Die im Fußballsport ohnehin unangebrachte Marktlogik widerspricht sich in diesem Fall sogar selbst.

Hoffenheim- Abbild des Internationalen Spitzenfußballs

Dietmar Hopp muss man dabei noch zu Gute halten, dass sein Herz wohl wirklich an der TSG hängt und sein Geld nicht blind investiert wird. Hopp ist nur ein kleines Rädchen im System eines sich immer mehr zum Business entwickelnden Sports. Er muss trotzdem kritisiert werden: Hoffenheim ist wohl die greifbarste Ausformung des "Modernen Fußballs" in Deutschland. Nirgendwo anders wird die Verbindung von Kommerz, Event und Fußball so deutlich. Zusätzlich hat Hopp mit mehreren Äußerungen seine reaktionäre Einstellung gegenüber jeglichen dieses System ablehnenden Meinungen demonstriert. Kritik darf aber nicht bei der TSG Hoffenheim halt machen, sondern muss bei den Strukturen, die diese Entwicklung befördern (Verbände, Sponsoren, Funktionäre) weitergehen.

Woche für Woche zeigen uns die Verantwortlichen der internationalen und nationalen Spitzenklubs, wie das neue Spiel gespielt wird. Für Geld und anscheinend gleichbedeutend sportlichen Erfolg verkaufen Funktionäre Stadionnamen, betreiben eine exorbitante Verschuldungspolitik, lassen sich aus dieser durch finanzkräftige Sponsoren im Rahmen undurchsichtiger Vereinbarungen freikaufen und machen aus ihren Vereinen Aktiengesellschaften oder lassen Großsponsoren bei der sportlichen Planung mitreden. Anderswo befindet sich der Verein wie im Falle des AC Mailand oder Juventus Turin ohnehin schon Jahre im Besitz von Großkapitalisten à la Berlusconi oder der Fiat Group. Solch ein Vorgehen bzw. eine Vereinsorganisation werden von den meisten international erfolgreichen Vereinen wie Real Madrid, den italienischen Spitzenklubs und gerade England vorgelebt. Daher dürfte es kaum überraschen, dass es durch Hoffenheim im Kleinen nachgeahmt wird. Genau jene großen Vereine sind es auch, die Spielergehälter und Transfersummen explodieren lassen und somit die sportliche Schere zwischen finanzstarken und finanzschwachen Klubs immer weiter öffnen. Sukzessive ist auch nur finanziell potenten Vereinen möglich um Titel mitzuspielen - auch der FC Bayern darf sich zumindest auf nationaler Ebene von dieser Kritik nicht ausnehmen lassen.

Hoffenheim ist angesichts dieser Entwicklungen wohl lediglich ein Symptom einer Krankheit, die seit Jahren im modernen Fußballgeschäft grassiert und besonders von den internationalen Spitzenklubs verbreitet wird. Ziel ist dabei nicht die Aufrechterhaltung eines interessanten Wettbewerbs, sondern allein das Streben nach eigenem Erfolg auf Kosten aller kleineren Vereine, die nur mehr dazu dienen die Zeit bis zum nächsten nationalen oder internationalen Spitzenspiel nicht nur mit Trainingseinheiten überbrücken zu müssen.

Dass mit der internationalen Finanzmisere und der Krise des Kapitalismus ein Ende der Investorentätigkeit und Schuldenmacherei im Fußball bevorsteht bleibt wohl leider eine eher unwahrscheinliche Lösung des Problems der Wettbewerbsverzerrung.

FÜR EINEN FAIREN WETTBEWERB! GEGEN DEN MODERNEN FUSSBALL