Die Datei Gewalttäter Sport

Die Polizei hat im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Fußballspielen die Aufgabe, "einen sicheren Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten" und "anlassbezogene Straftaten" zu verhindern und sieht die Datei "Gewalttäter Sport" als ein zentrales Instrument, um diese Ziele zu verfolgen. Das Sammeln von Daten von Fußballfans um "personenbezogene Erkenntnisse über Hooligans zu verdichten", damit man "Erkenntnisse aus der Datei für gezielte polizeiliche Maßnahmen" nutzen kann, ist zu einem zentralen Moment des Umgangs der Polizei mit Fußballfans geworden. Inzwischen dürfte jeder von uns, der sich als aktiver Fan sieht, mit der Datei in Kontakt gekommen sein – sei es als Betroffener oder im Bekanntenkreis. Grund genug für uns, sich mit der Frage zu beschäftigen...

...was die Datei "Gewalttäter Sport" überhaupt ist.

Die Datei wurde 1994 auf Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder eingerichtet. Sie wird von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen geführt. Jede Polizeidienststelle kann Personen in die Datei speichern, wobei die Polizeidienststelle zuständig ist, in deren Zuständigkeitsbereich sich der "speicherungsrelevante Sachverhalt" ereignet hat (Tatortprinzip). Entsprechend ist jede Polizeidienststelle für die Speicherung, die Richtigkeit sowie für alle Veränderungen und die Löschung der Daten, die sie speichert, selbst verantwortlich. Gespeichert werden Daten zur Person und zum "speicherungsrelevante Sachverhalt". Jeder Polizist kann auf diese Daten zugreifen.

Wann wird eine Person in der Datei erfasst?

Eine Speicherung in der Datei erfolgt, wenn "gegen eine Person im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wegen der folgenden Straftaten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder die Person deswegen rechtskräftig verurteilt worden ist:

  • Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen Leib oder Leben oder fremde Sachen
  • Gefährliche Eingriffe in den Verkehr (§§ 315 ff StGB)
  • Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB)
  • Nötigung (§ 240 StGB)
  • Verstöße gegen das Waffengesetz
  • Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz
  • Landfriedensbruch (§§ 125 ff StGB)
  • Hausfriedensbruch (§§ 123, 124 StGB)
  • Gefangenbefreiung (§120 StGB)
  • Raub- und Diebstahlsdelikte
  • Missbrauch von Notrufeinrichtungen (§ 145 StGB)
  • Handlungen nach § 27 Versammlungsgesetz"

Da die Einleitung eines Ermittlungsverfahren für eine Speicherung in der Datei ausreicht, werden hier nicht nur Grundsätze des Rechtstaats, der von der Unschuld eines Beschuldigten bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung ausgeht, missachtet, sondern der Sammelwut der Beamten keine Grenzen gesetzt, denn für die Einleitung eines Verfahrens reicht ein vager Anfangsverdacht.
Außerdem ist die Speicherung der Daten ebenfalls zulässig, wenn die Polizei Personalienfeststellung, Platzverweise, Ingewahrsamnahme oder Sicherstellung "gefährlicher Gegenstände" anordnet und "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen werden". Der Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ist selbst bei "Vorkommnissen im Stadionumfeld", während der An- und Abreise und an "anderen Treffpunkten außerhalb der Veranstaltungsorte" gegeben.
Diese vagen und schwammigen Formulierungen ermöglichen es, bei der Speicherung in die Datei greifbare rechtstaatliche Kriterien, wie die rechtskräftige Verurteilung einer Person, durch Vermutungen und Unterstellungen durch die involvierten Polizisten zu ersetzen. Selbst eine einfache Kontrolle der Personalien reicht für einen Eintrag aus, die Polizei erhält die Möglichkeit einer kollektiven Maßnahme gegen zufällig anwesende Personen. Der Polizist wird zum Richter, Willkür und Repression sind keine Grenzen gesetzt.

Bin ich bereits in der Datei gespeichert?

Das kann durchaus sein, denn die Behörden sind nicht verpflichtet, einer betroffenen Person die Aufnahme in die Datei mitzuteilen. Um Klarheit hierüber zu erhalten und der zuständigen Stelle ein bisschen Arbeit zu bereiten, am besten gleich diese Anfrage mit einer beidseitigen Kopie des Personalausweises an das LKA Nordrhein-Westfalen schicken.

Welche Auswirkungen hat ein Eintrag für mich?

Ein Eintrag in der Datei "Gewalttäter Sport" kann zu Haus- und Arbeitsplatzbesuchen zu sogenannten "Gefährderansprachen", Verhängung von Meldeauflagen, z.B. Erzwingung von Anwesenheit am Wohnort, Ausreiseverboten und vorsorglichen Ingewahrsamnahmen führen. Außerdem ist der Eintrag für jeden Polizisten jederzeit abrufbar und mindert die Glaubwürdigkeit gegenüber Behörden. Selbst bei Passkontrollen auf Urlaubsreisen kann ein Eintrag in die Datei für Probleme sorgen. Er stellt einen massiven Eingriff in Persönlichkeitsrechte, die Privatsphäre, die Bewegungsfreiheit und in das Verbot der Vorverurteilung dar.

Wer hat noch Zugriff auf die Daten?

Es wird behauptet, dass eine "Übermittlung der Daten an Stellen außerhalb der Polizei, z.B. an Fußballverbände oder –vereine" nicht stattfindet. Dass man diese Regelung nicht ganz so eng sieht, zeigt sich z.B. in unserem Fall bei den regelmäßigen Treffen zwischen den sogenannten "Szenekundigen Beamten" und Vereinsvertretern, bei denen gelegentlich das ein oder andere datenschutzrelevante Interna zur Sprache kommt. Was hinter den Kulissen noch alles passiert, kann man nur erahnen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Datei und bundesweiten Stadionverboten?

Bundesweite Stadionverbote werden nur vom jeweiligen Fußballverein oder vom DFB ausgesprochen. Weiterführende Informationen hierzu findet ihr im Text zum Thema Stadionverbote. Eine Speicherung in der Datei "Gewalttäter Sport" erfolgt nur, wenn das Stadionverbot aus einem der oben beschriebenen Anlässen erteilt wurde. In der Praxis führt das Festsetzen eines Stadionverbotes zu einem Eintrag in der Datei.

Wann werden Einträge aus der Datei gelöscht?

"Grundsätzlich werden Daten sofort gelöscht, wenn sie für die Datei verfolgten Zwecke nicht mehr benötigt werden. Bei Erwachsenen und Jugendlichen spätestens fünf Jahre nach der letzten Eintragung". Wann die Daten für die "verfolgten Zwecke" nicht mehr benötigt werden, ist wiederum sehr vage. Es liegt die Vermutung nahe, dass dieser Fall erst eintritt, wenn man dauerhaft Fußballspielen und "anderen Treffpunkten außerhalb der Veranstaltungsorte" fernbleibt oder stirbt.
Die Formulierung "fünf Jahre nach dem letzten Eintrag" eröffnet den Staatsbediensteten ebenfalls einen großen Spielraum, da Einträge bereits bei Personalienfeststellung erfolgen. Die Eintragung in die Datei stellt eine Person aber bereits unter Generalverdacht und die Wahrscheinlichkeit erneut in eine Personalienfeststellung zu kommen wird dadurch extrem gesteigert.

Solltest du zu Unrecht in der Datei erfasst sein und eine Löschung beantragen wollen, kannst du dich an den Datenschutzbeauftragten deines Bundeslandes wenden oder mit einem Anwalt gegen den Eintrag vorgehen.

Quellen:
www.lka.nrw.de/gewalttate.htm
www.profans.de
Pressemitteilung des Innenministers Baden-Württembergs vom 25.05.05: "Sonderkonferenz der Innenminister und –senatoren verabschiedet das Nationale Sicherheitskonzept für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006"