Heute möchten wir zur Abwechslung ein Thema in den Focus rücken, welches zu Unrecht häufig vernachlässigt wird. Es ist bekannt, dass Fans des FC Bayern aus dem gesamten Bundesgebiet (und darüber hinaus) stammen und das in einem Ausmaß, welcher weit über den Anteil anderer Vereine hinausgeht. Nicht selten kam und kommt es deshalb zu Konfliktsituationen, die zwar eher selten im offenen Streit münden, aber nichtsdestotrotz latent unter der Oberfläche vorhanden sind und deswegen auch hier thematisiert werden sollen.
Interessant ist, dass die Vorwürfe und Anschuldigungen von beiden Seiten geäußert werden. So wird den nicht in München und Umgebung wohnenden Fans häufig vorgehalten, sie hätten keinerlei Bezug zur Stadt und würden die Weiterentwicklung der eigenen Kurve eher hemmen, als sie zu fördern. Anstatt das große Einzugsgebiet des FC Bayern als Chance zu begreifen, wird es gerade von Münchner Bayern-Fans häufig als Nachteil ausgelegt. Umgekehrt wird den Münchnern häufig Arroganz gegenüber anderen Bayern-Fans vorgeworfen, sie würden sich als Fans erster Klasse verstehen und wüssten den zeitlichen und finanziellen Mehraufwand auswärtiger Fans nicht richtig zu würdigen. Wir denken, dass es an der Zeit ist, mit einigen solcher Vorurteile aufzuräumen, die letztendlich nur dazu führen, dass unser Ziel einer geschlossenen und selbstverwalteten Kurve in weite Ferne rückt.
Gerade die gemeinsamen Erfahrungen in der Gruppe haben uns gezeigt, dass ohne die Anderen wenig, miteinander aber fast alles geht. Es ist zwar richtig, wenn man darauf hinweist, dass es für Fans aus unterschiedlichen Regionen verschiedene Voraussetzungen für das persönliche Engagement gibt, das muss aber nicht heißen, dass wir nicht auf eine Angleichung dieser Voraussetzungen hinarbeiten können. Schließlich kann kein Bayern-Fan etwas dafür, dass er/sie aus NRW, Baden-Württemberg oder sonst woher stammt und dementsprechend benachteiligt wird, genauso wie sich die Münchner nicht als die Auserwählten fühlen können, nur weil sie das Glück hatten, hier geboren zu sein. Deswegen haben wir kurz nach unserer Gründung beschlossen, nicht in München und Umgebung wohnende Mitglieder in regionalen Sektionen zu organisieren, um auch ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre Leidenschaft bestmöglich auszuleben. Und es ist teilweise erstaunlich, welche positiven Früchte diese Zusammenschlüsse hervorbringen.
So wäre der Münchner Teil unserer Gruppe in einigen Fällen doch in größere Schwierigkeiten gekommen, hätte er nicht auf die Hilfe von außerhalb zählen können. Es hat sich gezeigt, dass der Einsatz der Auswärtigen dem der Münchner in nichts nachsteht, ganz im Gegenteil. Beispiele gibt es zuhauf, aus Platzgründen möchten wir uns auf einige wenige beschränken. Als wir etwa 2006 beschlossen, dem Pokalfinale in Berlin fernzubleiben und stattdessen in München ein Zeichen gegen die Kriminalisierung von Fußballfans und der Solidarität gegenüber unseren von Stadionverboten betroffenen Mitgliedern zu setzen, kam es, dass sich unter den ca. 150 Anwesenden auch ein Mitglied befand, das ausgerechnet in Berlin wohnhaft ist und für uns auf sein einziges "Heimspiel" verzichtete, indem es die lange Reise nach München antrat. Ein anderes Mitglied aus Ungarn, das verständlicherweise nur selten zu den Spielen nach Deutschland kommen kann, überraschte uns vor kurzem, als es uns umfangreiches Foto- und Videomaterial von allen Fernsehausschnitten übergab, in denen die Südkurve zu sehen war. Aber auch der Zusammenhalt innerhalb der Sektionen spricht mittlerweile Bände. So kam es zum Beispiel vor einiger Zeit noch des Öfteren zu Angriffen auf Bayern-Fans, die innerhalb des Einzugsbereiches des 1.FC Nürnberg wohnen. Die Zahl dieser Angriffe ist heute deutlich zurückgegangen, nicht zuletzt deshalb, weil ihnen vermehrt Gegenwehr entgegengebracht wurde.
Solche und andere Erfahrungen haben wiederum auch unseren Münchner Mitgliedern Respekt eingeflößt und sie zu der Einsicht gebracht, das Engagement der Auswärtigen erhalten und fördern zu müssen. Wir haben erkannt, dass wir Letztere vermehrt einbinden müssen, gerade auf solchen Gebieten, auf denen sie aufgrund ihres Wohnortes den Münchnern im Nachteil sind. So wird zum Beispiel daran gearbeitet, ihnen einen Bezug zur Stadt München zu vermitteln, die eben nicht nur Spielort unseres Vereines ist, sondern auch identitätsstiftendes Merkmal seiner Fans. In diesem Zusammenhang erscheint in unserem Ultrazine "Gegen den Strom" etwa eine Serie über die Historie unserer Stadt, die selbst häufig vom positiven Einsatz der "Zuagroasten" zeugt und die Notwendigkeit eines toleranten Miteinanders vor Augen führt. Auch versuchen wir, die Möglichkeiten zur Mitsprache an der Entwicklung unserer Gruppe und den gegenseitigen Austausch für die Auswärtigen zu fördern. Neben den Möglichkeiten der Einflussnahme in den Sektionen finden so etwa häufiger Diskussionsrunden, Kinoabende und Feiern in München statt, die vor allem auswärtigen Mitgliedern zugute kommen sollen und dementsprechend terminiert sind. Dass hierbei dann auch Schlafplätze zur Verfügung gestellt werden und für die Verpflegung gesorgt wird, versteht sich von selbst, ebenso erfreulich ist die Tatsache, dass auswärtige Mitglieder als Zeichen ihrer Wertschätzung auch ab und an zuhause besucht werden.
Für uns hat sich vielfach gezeigt, dass wir gegenseitig profitieren können und es erfüllt uns mit Stolz, dass die freundschaftlichen Kontakte sogar soweit gediehen sind, dass einige Mitglieder aus unterschiedlichen Regionen sich in Wohngemeinschaften zusammentun oder nach München ziehen, was bei den hiesigen Mietpreisen sicher nicht selbstverständlich ist.
Wir würden uns freuen, wenn wir diesen Zusammenhalt innerhalb unserer Gruppe weiter fördern könnten, genauso würden wir es aber auch begrüßen, wenn er sich auch auf andere Bayern-Fans übertragen ließe und zwar unabhängig von der Herkunft, sondern nur davon, ob sie München im Herzen tragen.
Für eine starke und selbstbewusste Kurve, in der jede_r nach den eigenen Möglichkeiten den größtmöglichen Einsatz liefert.