"Für ihn gab es nur den FC Bayern - das war sein Leben"
(Uri Siegel über seinen Onkel Kurt Landauer)
Kurt Landauer, der erfolgreiche und langjährige Präsident unseres FC Bayern, der dem interessierten Bayernfan spätestens durch unser alljährliches antirassistisches Einladungsturnier um den Kurt Landauer-Pokal ein Begriff sein sollte, erblickte vor 125 Jahren am 28. Juli 1884 in Planegg das Licht der Welt.
In den Tagen rund um diesen Geburtstag wurde sehr viel über Kurt Landauer berichtet. In Tageszeitungen und Nachrichtenportalen im Internet konnte man jede Menge Artikel zu Kurt Landauer und seiner Geschichte finden. Auch auf der offiziellen Homepage des FC Bayern wird erstmals seit Langem darüber berichtet, wenn auch (wie zu erwarten) nicht in der ausführlichen und anerkennenden Form, die man sich als traditions- und identitätsbewusster Bayernfan wünschen würde.
Natürlich hat sich auch unsere Gruppe anlässlich dieses Jubiläums mit Kurt Landauer beschäftigt, schließlich fühlen wir uns ihm verbunden und zählen es zu unserer Aufgabe, sein Gedenken zu bewahren. Zu seinem 125. Geburtstag haben wir uns zu Ehren Kurt Landauers einiges ausgedacht.
Bereits eine Woche vor dem Termin veröffentlichten wir eine Presseerklärung, in der wir auf das anstehende Jubiläum hinwiesen. Unsere Erklärung fand einige Resonanz, unter anderem schrieb die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 28.07.09 man müsse genau hinschauen, um die Spuren zu finden, die Kurt Landauer in München hinterlassen habe. Die Bayern-Fangruppierung Schickeria dokumentiere ihre antirassistische Haltung alljährlich mit der Ausrichtung eines Kurt Landauer-Turniers. Die "Junge Welt" spricht von "Gedenken von unten" und meint damit die Fanbasis, in der das Andenken Kurt Landauers verbreitet wird.
Am Dienstag den 28. Juli, seinem Geburtstag, besuchten wir nachmittags mit einer Delegation das Grab von Kurt Landauer und seiner Familie auf dem jüdischen Friedhof im Münchner Norden. Dort legten wir zum Gedenken an Kurt Landauer ein Gesteck von unserer Gruppe aus roten und weißen Rosen nieder, sowie wie auf jüdischen Friedhöfen üblich pro Person einen Stein auf das Grab. Die Stadt München hatte ebenfalls einen Kranz am Grab niedergelegt.
Abends waren wir von der evangelischen Versöhnungskirche Dachau zu einer Gedenkveranstaltung zu Ehren von Kurt Landauer im früheren Konzentrationslager in Dachau eingeladen, die in Zusammenarbeit mit Maccabi München organisiert wurde. Dieser Einladung folgten wir natürlich gerne und fanden uns vor Ort mit etwa 30 Ultras ein. Diakon Schultz, der uns schon aus der Vergangenheit bekannt war (er leitete eine Führung durch die Gedenkstätte in Dachau im Rahmen unseres ersten Kurt Landauer-Turniers 2006, war bei dieser dann auch zugegen und ist uns in der Zwischenzeit noch hier und da über den Weg gelaufen), begrüßte uns und freute sich sichtlich, dass so viele Ultras der Einladung gefolgt sind. Er bedankte sich für unser Engagement bezüglich der Geschichte des FC Bayern, im Speziellen natürlich die von Kurt Landauer. Dies ist ein riesiges Kompliment und Bestätigung für unsere Arbeit.
An der Baracke 8 im KZ Dachau, jenem Ort, wohin Kurt Landauer am 10. November 1938 (einen Tag nach der Reichskristallnacht), verschleppt wurde und insgesamt vier Wochen inhaftiert war, traf man sich zum Gedenken. Kurt Landauer entkam dem Lager, ihm gelang anschließend die Flucht in die Schweiz, doch vier seiner Geschwister wurden von den Nazis ermordet. Zum Gedenken an Kurt Landauer waren neben 30 Ultras rund 50 weitere Gäste gekommen, die sich aus Vertretern der Kirche, der jüdischen Gemeinde, der Presse und dem Vorstand und dem Präsidium des FC Bayern, vertreten von Karl-Heinz Rummenigge, Karl Hopfner und Dr. Fritz Scherer zusammensetzten.
Nach einer kurzen Ansprache des evangelischen Diakons gedachten Dr. Fritz Scherer (FC Bayern) und Robby Rajber (Maccabi München) mit einer Rede Kurt Landauer. Bevor es weiter in die evangelische Versöhnungskirche zu Vorträgen zur Geschichte von Kurt Landauer, sowie einem moderierten Gespräch mit Uri Siegel, dem Neffen von Kurt Landauer, und Willi O. Hofmann, dem Präsidenten des FC Bayern von 1979 bis 1985, kam, wurde noch ein jüdisches Heilungsgebet (Kaddisch) vorgetragen. Auf dem Fußweg zur Kirche wurden Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner von Mitgliedern unserer Gruppe angesprochen und mitgeteilt, dass wir es begrüßen, wenn sich der Vorstand des FC Bayern endlich auch mit seiner Geschichte auseinandersetze und hier öffentlich Stellung beziehe. Dies kann natürlich nur ein Anfang sein!
Bevor die Gesprächsrunde begann, gab es noch eine Ansprache von Alfred Fackler, dem Vizepräsidenten des bayrischen Fußballverbandes. Alfred Fackler, Mitglied des in der Vergangenheit glanzvollen Wacker München, erzählte von seiner Begegnung mit Kurt Landauer. Nach dem Krieg wurde er als 19-jähriger Junge, damals neuer Schriftführer von Wacker München, mit einem Schreiben von Wacker zum FC Bayern geschickt. Im Büro von Kurt Landauer sei er zuerst gefragt worden ob er in der Hitlerjugend war, was er bejahen musste. Daraufhin habe Kurt Landauer geantwortet: "Sowas machst nicht mehr, mein Freund!". Im weiteren Gespräch habe Kurt Landauer ihn noch darauf hingewiesen, dass er beim falschen Münchner Verein sei.
Nach der interessanten Rede von Alfred Fackler ergriff der Autor Dietrich Schulze-Marmeling das Wort und erläuterte die Geschichte der Juden im deutschen Fußball von 1890 bis zur Schreckensherrschaft der Nazis.
Im Anschluss kam es zu der bereits erwähnten Gesprächsrunde mit Uri Siegel, dem Neffen von Kurt Landauer, sowie dem ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München Willi O. Hoffmann. Hier wurde von Zuhörern kritisiert, dass der FC Bayern sich viel zu spät und immer noch in viel zu geringem Maße mit seiner Geschichte auseinandersetze, obwohl man als Verein besonders stolz auf seine Historie sein kann. Eine wirkliche Antwort hierzu wurde von Rummenigge und Co. nicht gegeben, man verwies auf ein geplantes FC Bayern Vereinsmuseum. An sich eine wunderbare Idee. Wenn dann aber wieder erwähnt wird, dass man hierfür noch einen Sponsor suche, steht das wieder in einem ganz anderen Licht. Wie kann man nur seine Geschichte auch noch vermarkten? Oder sogar darauf verzichten die glorreiche Historie seinen Fans zugänglich zu machen, wenn kein Sponsor einspringt? Erbärmlich!
Nach dem Ende der Gesprächsrunde bedankten wir uns nochmals bei den Veranstaltern für die Einladung, begleiteten Uri Siegel zu seinem Fahrzeug und es ging auch für uns zurück nach München.
Nur drei Tage später trafen wir uns innerhalb unserer Gruppe in einem Münchner Wirtshaus zu einem gemütlichen Abendessen zu Ehren von Kurt Landauer. In angenehmer Atmosphäre wurde ein schöner Abend verbracht und über die vorangegangen Tage gesprochen.
Zum Heimspiel gegen den 1. FC Köln wurde einige Wochen später schließlich in der Südkurve von unserer Gruppe eine Choreografie zu Ehren von Kurt Landauer auf die Beine gestellt. Im Herzen der Kurve erstrahlte sein Gesicht riesengroß und wurde von roten und weißen Folienbahnen, den Farben des FC Bayern umrandet. Dazu war auf einem riesigen Plakat der Spruch zu lesen, der aufzeigt, dass nichts, erst recht nicht das furchtbare Nazi-Regime, ihn an seiner großen Liebe FC Bayern hindern konnte: "DER FC BAYERN WAR SEIN LEBEN - NICHTS UND NIEMAND KONNTE DAS ÄNDERN!"
Auch in Zukunft werden wir stets an unseren verdienten Präsidenten Kurt Landauer erinnern, ihm haben wir unglaublich viel zu verdanken, wir sind stolz auf unseren Verein, seine Geschichte mit unzähligen Erfolgen, die Kurt Landauer mit eingeleitet hat!