EINE FRAGE DES RESPEKTS

Chronologie eines gescheiterten Dialogs aus unserer subjektiven Sicht

2007 wird der "Arbeitskreis Fandialog" gegründet. Die Zusammensetzung der Runde bestimmt die Vereinsführung. Von den 30 vertretenen Fanclubs und Fangruppen sind etwas weniger als 1/3 der kritischen Fanszene und der Südkurve zuzurechnen. Die Mehrheit setzt sich aus den großen Fanclubs zusammen.

Im Frühjahr 2011 eskaliert erst der Ärger um die Personalie Manuel Neuer und dann die finanzielle Unterstützung der Blauen. Wer sich damit (nochmal) beschäftigen will, dem empfehlen wir die Lektüre unserer Erklärungen dazu auf unserer Homepage. Schon damals geht es neben den eigentlichen Streitthemen auch darum, welche Rolle den Fans und Mitgliedern im Gesamtgefüge FC Bayern zukommt und wie man mit kritischen Meinungen umgeht.

Die Fans sind das Salz in der Suppe
Mia san Uli? Mia san die Bayern!
"Der Fan" – Das unbekannte Wesen
"Nur die Ultras?" "Nur ein paar Unbelehrbare?"
Koan Cent! Koan Neuer! Koa One-Man-Show

Beim Spiel gegen den HSV werden schikanöse zusätzliche Kontrollen vor den mittleren Blöcken der Südkurve durchgeführt. Angeblich weil man eine Überfüllung des Blocks verhindern will. Viele betreten deswegen bei diesem Spiel die Südkurve nicht. Schon damals entsteht nicht unbegründet der Eindruck, die "Befürchtung" vor einem "überfülltem Block" sei vorgeschoben und mit der Drohung der Sperrung des zentralen Südkurvenblocks und zusätzlichen Kontrollen sei eine neue Daumenschraube entdeckt worden, mit der man Druck auf die aktiven Fans ausüben kann. Die Begegnung gegen den HSV ist nämlich das erste Heimspiel nach dem "Skandal-Pokalspiel" gegen Schalke 04, bei dem es zu deutlichen Unmutsäußerungen gegen den damaligen Schalker Torwart Manuel Neuer kam. Das Thema "Block-Überfüllung" wird uns noch weiter beschäftigen.

Als der Konflikt um Manuel Neuer und die Unterstützung der Blauen auf seinem Höhepunkt ist, zieht der Vorstand des FC Bayern einen externen Berater hinzu. Professor Salewski ist Unternehmensberater, Uni-Professor für Psychologie, Konfliktmanager und professioneller Verhandlungsführer bei Geiselnahmen. Er hat die GSG 9 konzipiert und lange Zeit begleitet. Von der Boulevard-Presse wird er als "Terror-Experte" tituliert. Wir begegnen ihm unvoreingenommen und sehen vor allem die große Chance, mit den in unseren Augen durchaus schlüssigen Argumenten von uns endlich an einer entscheidenden Stelle Gehör zu finden. Von der "Fanbetreuung" des Vereins haben wir im Laufe der Jahre den Eindruck gewonnen, dass sie vor allem als Puffer zwischen Fans und Vereinsführung fungieren soll. Dies bringt unserer Meinung nach leider mit sich, dass Informationen nur gefiltert und das ein oder andere Mal auch gar nicht oder sogar falsch weitergegeben werden, während wir uns nur immer wieder mit Personen auseinander zu setzen haben, die letztendlich gar nichts entscheiden können. Von einem Gespräch mit Fanbetreuung UND dem Berater des Vorstands erhoffen wir uns mehr. Im Nachhinein müssen wir leider feststellen, dass diese Hoffnung mehr als naiv war, schließlich wird der Berater des Vorstands nicht dafür bezahlt, zwischen zwei Parteien zu vermitteln sondern vielmehr der einen Partei, seinem Auftraggeber, bei dem "professionellen Umgang mit einem Problem" zu helfen. Ein erstes Gespräch findet statt, weitere sollen folgen. Es geht darum, Verständnis für die Belange der Fankurve und der aktiven Fans zu wecken und für die Möglichkeit zu werben, eine freie und nicht weiter eingeschränkte Fankultur sich zum Vorteil aller entwickeln zu lassen. Wir halten dafür einen ehrlichen Dialog auf Augenhöhe und Verständnis für die jeweils andere Partei für wichtig. Im ersten Gespräch sollten die Positionen abgesteckt und eine Themenauswahl getroffen werden, bevor auch Mitglieder des Vorstands an einem Gespräch teilnehmen. Dazu wird es aber nie kommen.

Stattdessen wird ein "Runder Tisch" öffentlichkeitswirksam einberufen, bei dem noch mehr Gesprächsteilnehmer (der gesamte Vorstand, die wichtigsten Mitarbeiter, Vertreter der Mannschaft, mehr Fanclubvertreter aus der Kurve und aus anderen Bereichen) über noch mehr Themen in nicht mehr als drei oder vier Stunden reden sollen. Natürlich ist uns klar, dass es dabei nur darum geht, in einer großen Show das Thema "Streit mit der Fankurve" für die Presse zu beenden. Wir treffen wenige Tage vor dem Termin Professor Salewski und Raimond Aumann, um unsere Bedenken dagegen mitzuteilen. Uns wird bei diesem Gespräch versichert, dass der notwendige Dialog über den grundsätzlichen Umgang mit den Interessen der Fans nach dem "Runde Tisch" in weiteren Gesprächen fortgesetzt werden würde. Nach dem "Runden Tisch" hat kein einziges wirkliches Gespräch mehr zwischen Fanbetreuung, Professor Salewski oder dem Vorstand und uns Fans stattgefunden. Ab diesem Zeitpunkt sehen wir uns nur noch mit Basta-Entscheidungen der Vereinsführung konfrontiert.

Am Ende der Sommerpause wird eine Sitzung des "Arbeitskreis Fandialog" einberufen. Darin werden den Fans Änderungen bei der Kartenvergabe für die zentralen Blöcke der Südkurve mitgeteilt. Bestimmendes Moment dabei ist die sogenannte "Block-Überfüllung". Sowohl die Fans, denen es darum geht, dass diejenigen in die Fankurve kommen, die Vollgas geben und für unseren Verein singen, als auch die Vereinsoffiziellen, die für die Sicherheit verantwortlich sind, haben bezüglich dieses Themas berechtigte Interessen. Leider war die Vereinsführung zu keinem Zeitpunkt bereit, sich ernsthaft mit den Wünschen und Vorschlägen der Fanseite auseinander zusetzen. Aber auch wir Fans haben es seitdem verpasst, unsere Konzepte weiter auszuarbeiten, was sicherlich auch der Frustration geschuldet ist, keinerlei Gehör zu finden.
Eine wirkliche Lösung der Problematik wird damit nicht angegangen. Mit den Fans geredet wird auch nicht, sie werden lediglich über die beschlossenen Änderungen informiert, die zum Teil sicher sinnvoll sind, das Grundproblem aber nicht angehen. Sie beinhalten die Einführung des Jugendkarten-Programms, eine Aufstockung des Kartenkontingents für den AKFD und die Personalisierung der AKFD-Karten. Letzteres bedeutet einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand für uns Fans und wird angesichts des Umgangs der Vereinsführung mit den Daten von kritischen Fans in der Vergangenheit auch kritisch gesehen.

Eine kleine Randnotiz veranschaulicht weiter, wie hier die Kommunikation ablief. Schon im Gespräch mit Professor Salewski mit uns wird die "Block-Überfüllung" thematisiert. Damals werden wir um eine Einschätzung gebeten, wie viele Personen ohne gültige Karte in den Mittelblock der Südkurve gehen. Kurze Zeit später wird über den E-Mail-Verteiler des AKFD von den Sprechern dazu aufgerufen, Namen von Interessierten zu melden, die in anderen Bereichen des Stadions Jahreskarten haben und in den Mittelblock der Südkurve wechseln wollen. Die Nachfrage von dem Vertreter des Club Nr. 12, wie viele Karten überhaupt verfügbar wären, wird nicht beantwortet. Da wir bereits im direkten Gespräch mit Professor Salewski mitgeteilt haben, dass wir den Bedarf mit einer hohen dreistelligen Anzahl beziffern würden, wollen wir, wie der Club Nr. 12 auch, erst konkrete Zusagen oder zumindest mehr Informationen haben, bevor wir eine Liste mit Namen und Adressen abgeben. Bei dem sogenannten "Runden Tisch" teilt uns Karl Hopfner mit, sie bräuchten eine Liste mit Namen, um den konkreten Bedarf zu ermitteln und bestätigen uns auch auf Nachfrage nochmal, dass wir eine solche Liste erstellen sollen. Zusammen mit dem Club Nr. 12 rufen wir daraufhin öffentlich dazu auf, sich in eine Liste einzutragen, wenn man in den Mittelblock der Südkurve wechseln will. Auf dieser Liste steht am Ende eine große dreistellige Zahl an Personen, die ziemlich genau unserer Einschätzung entspricht. Von diesen Personen bekommt allerdings anders als die von einigen AKFD-Fanclubs genannten etwa 50 Personen keiner eine Jahreskarte im Block 112/113. Begründet wird dies damit, dass wir uns nicht an die Fristen gehalten hätten und lange vor dem "Runden Tisch" die Namen hätten angeben müssen.

Vor Beginn der aktuellen Saison findet auf Initiative der an den Protesten gegen Manuel Neuer beteiligten Gruppen ein Gespräch mit Vertretern der Gruppen, Angestellten des Vereins und Neuer statt, um über den zukünftigen Umgang miteinander zu reden. Auf dem Gespräch wird vereinbart, dass nach einer abschließenden allgemeinen Erklärung der Fangruppen Stillschweigen über den Inhalt des Gesprächs herrscht. Die Fangruppen und Manuel Neuer halten sich an diese Absprache. Nach einigen Tagen tauchen in der Presse tatsächliche und angebliche Gesprächsinhalte auf. Wir erhalten glaubwürdige Informationen, dass diese von einem Angestellten des Vereins weitergegeben wurden. Uns ist bekannt, um wen es sich dabei handelt. Das Vertrauensverhältnis zu dieser Person ist massiv beschädigt.

Wiederum bei einem Heimspiel gegen den HSV, diesmal im Herbst 2011, wird der mittlere Block der Südkurve wegen angeblicher Überfüllung gesperrt. Die Ordner versuchen mit dem Hinweis Stimmung zu machen, Schuld an der Sperrung sei "die Schickeria", weil sie immer "schmuggeln" würde. Tatsächlich haben wir wiederholt auf die Problematik hingewiesen, die keinesfalls nur Schickeria-Mitglieder sondern vor allem junge Bayernfans betrifft. Auf unsere Lösungsvorschläge wurde nicht vernünftig eingegangen. Stattdessen dieser plumpe Versuch der Stimmungsmache, der klar macht, wie der Hase läuft. Es folgt ein Anschreiben an alle Jahreskartenbesitzer, das vor Konsequenzen warnt, sollte man der "Schmuggelei" verdächtigt werden. Aufgrund derer sei die Sperrung notwendig geworden und auch zukünftig damit zu rechnen. Gefühlt war der Block aber keinesfalls überfüllt, die Aufgänge waren offensichtlich frei und die Sperrung kurz vor Spiel wirkt organisatorisch und personell gut vorbereitet. Bei der Auswertung eines Fotos zählen Helfer des Club Nr. 12 später etwa 1770 Köpfe im mittleren Südkurven-Block. Die Verantwortlichen behaupten, sie hätten 2150 Personen an den Eingängen gezählt.
Um eine weitere Sperrung zu verhindern und eigene Zahlen zu erhalten, zählen wir die folgenden Heimspiele an den Eingängen selber. Um Druck aufzubauen, machen wir das offensichtlich. Die gezählten Werte von Ordnungsdienst und uns liegen ab da nah beieinander und deutlich unter der von den Verantwortlichen selbst auferlegten Obergrenze. In Gesprächen auf Sitzungen des AKFD lassen sie sich nicht davon überzeugen, ihre selbst definierte Obergrenze für die Füllung des Blocks näher in Richtung daran anzuheben, was die Gesetzeslage hergibt.

Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern ist weder für die aktive Fanszene noch für den Vorstand ein Ruhmesblatt. Auch wenn damit nicht nur die Fehler von Fanseite sondern auch (wohl unbeabsichtigt) die eigenen aufgezeigt werden, bringt es unser Präsident Uli Hoeneß auf den Punkt: "Manche Leute müssen noch lernen, mit Demokratie umzugehen." Ein ausführlicher Bericht lässt sich im SKB vom Bremen-Heimspiel nachlesen.

Der Fankongress Anfang 2012 in Berlin ist ein wichtiges Ereignis, bei dem die Fanseite die anderen Akteure des Fußballs zum Dialog einlädt (www.fankongress-2012.de). Vertreter von den Verbänden, von einigen Vereinen, Wissenschaftler und Fanprojekte, Medienvertreter und Fans diskutieren zwei Tage lang von der Öffentlichkeit viel beachtet. Alle sehen den Fankongress als wichtigen Schritt und vollen Erfolg. Aus München reist eine große Delegation von Profans München nach Berlin, um sich am Fankongress zu beteiligen. Diese kontaktiert mehrmals die zuständigen Stellen beim FC Bayern und läd sogar den Sicherheitsbeauftragten zu einer Podiumsdiskussion ein. Kein Vertreter des FC Bayern hat Interesse am Fankongress.

Beim ersten Heimspiel im Jahr 2012 gibt es einige Änderungen für die Südkurve. Die Zäune zwischen den Südkurven-Blöcken werden erhöht und sind damit die höchsten Trennzäune im ganzen Stadion. Nichtmal der Gästeblock wird von den anderen Stadionbereichen durch einen solchen Zaun getrennt. Die Heimfans, die eigentlich in der Südkurve "zuhause" sind, müssen sich dadurch wie in einem Gästekäfig vorkommen. Doch das ist dabei nicht mal der springende Punkt. In den letzten Jahren werden immer wieder Dinge genehmigt und verboten und ständig geändert: die Länge der Fahnen in der Kurve, das Megaphon, Zäune rauf, Zäune runter, Fangnetz weg, Fangnetz hin. Zeitweise Zugeständnisse täuschen nicht darüber hinweg, dass die Verantwortlichen des FC Bayern ihren Fans so wenig zugestehen, wie wahrscheinlich kein anderer Verein im deutschen Profi-Fußball. Was die Einschränkung von Fanfreiheiten angeht, ist der FC Bayern Spitzenreiter. In unsäglichen PR-Aktionen verarscht man die Öffentlichkeit um "den 12. Mann" zu bewerben, meint damit aber die Facebook-Nutzer und nicht die treuen Fans in der Kurve.

Das Tüpfelchen auf dem "i" ist das Verbot von Fan-Zeitungen und Flyern im Stadion. Dabei beruft man sich darauf, dass diese laut Stadionordnung formal eh schon immer verboten sind. Das spiegelt nicht nur ein äußerst fragwürdiges Verhältnis zu Demokratie und freier Meinungsäußerung wider, dieses Argument wird vielmehr als total vorgeschoben entlarvt, da das Südkurvenbladdl inzwischen seit 10 Jahren (!) im Stadion verteilt wird. Betroffen ist aber nicht nur das SKB, die Heimspielzeitung der Nordkurven-Supporters und der Club Nr. 12. Schon lange vor Schickeria-Zeiten waren Fanzines bedeutender Teil der Fankultur und wichtig für die Meinungsbildung der Fans.

Der AKFD wird übrigens per Brief im Vorfeld über die Neuerungen informiert. Das ist beispielhaft für die Rolle, die die Vereinsführung dem Arbeitskreis Fandialog zugesteht. Dieser sei nicht dazu da, Entscheidungen zu treffen, sondern um sich ein Stimmungsbild machen zu können. Tatsächlich wird der AKFD zu Entscheidungen gar nicht gehört, sondern nur darüber informiert und damit vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Verein hat sich mit dem AKFD ein Alibi geschaffen. Aber auch wir Fans müssen unsere eigene Rolle im AKFD in nächster Zeit kritisch überdenken.

Auch unser Verhältnis zu den Angestellten des Vereins und der "Fanbetreuung" ist schwierig und muss überdacht werden. Wenn man sich die Abläufe rund um das klärende Gespräch mit Neuer vergegenwärtigt, dürfte verständlich werden, dass wir das Vertrauensverhältnis zu bestimmten Personen als beschädigt ansehen. Weiter ist offensichtlich, dass im Verein einige Personen mit den Angelegenheiten der Fankurve beschäftigt sind, die große persönliche Antipathien gegen die aktive Fanszene hegen. Vertrauen und Respekt sind für uns aber Grundlage eines ehrlichen Dialogs.

Wir sehen uns was den Dialog mit den Verantwortlichen des Vereins angeht in einer Sackgasse. Der von Professor Salewski angekündigte "Prozess" findet offensichtlich ohne die Fans statt. Die Abfolge der hier beschriebenen Ereignisse legt für uns den Schluss nah, dass hier planmäßig vorgegangen wird und die aktiven Fanszene demontiert werden soll.

Unsere Konsequenz daraus ist, dass wir in nächster Zeit den Dialog mit dem Verein grundsätzlich überdenken werden. Wir müssen dabei natürlich auch unsere eigenen Positionen und Handlungen reflektieren. Wir wollen diesen Weg zusammen mit dem Rest der aktiven Fans gehen und werden deswegen das Gespräch suchen.

FUSSBALL IST OHNE FANS NICHT DENKBAR – FANS HABEN RESPEKT VERDIENT